8. - 10. Feb. 2012: Dominika

Dominica wird meist als die ursprünglichste der karibischen Inseln beschrieben. Dominica ist die einzige Karibik-Insel, die von Landwirtschaft und nicht vom Tourismus lebt. Schon früh bemerkten die Kolonisatoren, dass auf Dominica Pflanzen aus aller Welt gut gedeihen. Auf Dominica gibt es bis heute keine großen Hotelanlagen, keine Golfplätze und kein Nachtleben. Im Reiseführer lesen wir. „Die kraftvolle Natur dieser Erlebnisinsel war den Menschen immer gleichzeitig Schutz und Einschränkung. Sie bewahrte die Insel vor Ausbeutung durch habgierige europäische Abenteurer und Siedler, denn mit dem abschüssigen Gelände war einfach nicht viel anzufangen. Obwohl es den Eroberern gelang, die Kariben-Indianer vom Westen in die Berge und an die entlegene Nordostküste abzudrängen, wurden sie nicht ausgerottet. Die Natur schützte sie." Wir finden das alles klingt sehr reizvoll und entscheiden frühzeitig Dominika zu besuchen, noch bevor wir wissen, dass wir auch Guadeloupe anlaufen werden.

 

Die einzig sichere Ankerbucht von Dominica liegt im Norden der Insel, vor dem Örtchen Portsmouth. Noch bevor wir die Prince Rupert Bay erreichen, in der Portsmouth liegt, empfängt uns Andrew, ein Rastaman. Er kommt mit seinem Holzboot, das einen dicken Außenborder hat, längsseits und bietet uns seine Dienste an. Wir erklären ihm, dass wir zum Ankern erst mal keine Hilfe brauchen, uns aber gerne später anhören, was er anzubieten hat. „All right man, dann bis später, ich treffe Euch am Ankerplatz" verabschiedet er sich und zieht sich ans Ufer zurück, um von dort aus die nächste Yacht abzupassen.

 

Kaum ist unser Anker auf dem Grund, kommt schon der erste „fruit man" längsseits. Am Abend hat er nur noch wenig Früchte anzubieten und wir haben auch noch genug an Bord. Aber übermorgen könnten wir schon etwas Obst brauchen, lassen wir ihn wissen. Putzig ist der kahle Baumstengel, den er an der Seite seines Holzbootes weithin sichtbar fährt. Als wir ihn darauf ansprechen zeigt er uns kleines Kunsthandwerk, das er manchmal als farbenfrohe „Früchte" an die Äste hängt. Ein netter und gar nicht aufdringlicher Geselle.

 

Wenig später stellt sich „Bounty" als einer der Führer für den „Indian River" vor. Heutzutage kann man den „Indian River" nur noch mit Führer besuchen. Zu den Diensten die Bounty seinen Kunden anbietet gehört auch, dass er sie kostenlos quer über die breite Bucht zum Zoll und zur Einwanderungsbehörde schippert, wo man zum Einklarieren erscheinen muss. Das wäre in der Tat nicht schlecht. Für die Indian River Tour ruft er für unseren Geschmack etwas zu viel Geld auf. Wir wollen wissen, ob wir nicht zusammen mit anderen Seglern die Tour zu geteilten Kosten machen können. „Ja, übermorgen wäre das möglich" antwortet er. 20 USD pro Person für den Transfer zu den Behörden und die anderthalbstündige Tour den Indian River rauf, die er größtenteils rudern muss, da Motoren auf dem Fluss verboten sind, erscheinen uns angemessen. Wir verabreden uns für den nächsten Morgen mit ihm.

 

Kurz darauf erscheint Andrew wieder. Auch er will uns den Indian River zeigen. Als wir ihm sagen, dass wir uns eben schon mit Bounty verabredet haben, wirft er uns vor, dass er doch der Erste gewesen sei, der mit uns gesprochen habe. Ja schon, aber wir haben uns ihm gegenüber ja zu nichts verpflichtet. Sauer zieht er ab und bekommt einen Tobsuchtsanfall, als er nicht mehr in unserer unmittelbaren Nähe ist. Der Kampf unter den Führern um Kunden ist offensichtlich hart. Von Teamwork oder ähnlichem, hat noch keiner der Jungs was gehört, das Geschäftsgebaren ist noch ziemlich steinzeitlich. Jeder ist so gierig, dass er keinem anderen einen Teil des Geschäftes gönnt, selbst wenn er selbst dadurch auch mehr Chancen hätte, etwas abzubekommen.

 

Bounty will uns früh um acht Uhr abholen. Wir trinken nur einen schnellen Kaffee und sind pünktlich bereit zur Abfahrt. Doch von Bounty weit und breit keine Spur. Nach einer Viertelstunde Warten im Cockpit schmieren wir uns unter Deck doch noch ein paar Frühstücksbrote. Dass wir just in dem Moment für Bounty nicht sichtbar sind, ist Grund genug für ihn später zu sagen, wir wären nicht da gewesen als er uns abholen wollte. Als er endlich aufkreuzt ziehen wir ihm diesen Zahn. Jetzt würde er uns gerne um zehn Uhr chauffieren. Uns ist das letztlich genauso recht wie acht Uhr. Als er mit einem weiteren deutschen Segler im Boot ankommt ist uns klar, warum er die Verzögerungstaktik eingeschlagen hat. Der andere Deutsche hat bestimmt den vollen Transferpreis für die Taxifahrt bezahlt und so spart sich Bounty die unvergütete Extrafahrt.

 

Während der Fahrt unterbreitet uns Bounty ein anderes Angebot. Er veranstaltet die Indian River Tour doch schon heute Nachmittag und morgen kann er uns eine ganztägige Inselrundfahrt mit seinem Bruder zu einem Vorzugspreis anbieten. Da Joachim und ich wissen, dass es uns nicht gelingen wird, in der Schnelle unseres Kurzaufenthalts in Portsmouth einen Mietwagen aufzutreiben und selbst herauszufinden, wie wir zu den sehenswerten Attraktionen der Insel kommen, nehmen wir das Angebot an.

 

Die dominikanischen Behörden verlangen 60 EC$ (East Carribean Dollar – ca. 20 €) für's Einklarieren, ganz schön happig. Aber wenn man bedenkt, wie viel ärmer diese Insel im Vergleich zu den großen Nachbarinseln Guadeloupe und Martinique ist, und dass genau der Umstand, dass die Bewohner nicht das große Geld aus dem Massentourismus suchen, der Grund ist, warum wir hier sind, leuchtet es schon ein, dass die paar Besucher wie wir einen Beitrag zur Inselentwicklung und zum Naturschutz leisten müssen. Außerdem hat Dominica ESeaClear schon eingeführt, ein komfortables Einklarierungssystem per Internet, an dem sich schon viele karibische Inseln beteiligen. Die ganzen Daten zu Schiff und Crew sind gespeichert, man muss nur noch die aktuellen Streckendaten ergänzen, das ist schnell gemacht. Die Beamten brauchen dann nur noch die Vorgangsnummer und geben Minuten später ihren Stempel. Sehr komfortabel!

 

In Portsmouth stehen zwar ähnlich wie in Point-a-Pitre viele einfache Holzhütten, aber die Stadt ist lebendig und wirkt alles andere als trostlos. Als wir nach dem Behördenbesuch durch die Stadt laufen werden uns immer wieder Touren auf dem Indian River angeboten. Wenn wir Bounty erwähnen und dass wir mit dem Schiff da sind, bekommen wir immer gesagt, dass das korrekt sei, denn Bounty würde sich um die Segler in der Bucht kümmern. Der Markt ist also doch ein Stück weit in Segmente aufgeteilt.

 

Zum Lachen bringt uns James der am Straßenrand neben uns herradelt und sich mit den Worten „hallo ich bin James, man kennt mich auch als Null Null Sieben, meine Freunde nennen mich Bond" vorstellt. Er erzählt stolz wie Bolle, dass auf dem Indian River Teil zwei der Kino-Serie Fluch der Karibik gedreht wurde. James hat Kira Knightley, Orlando Bloom und Johnny Depp kennen gelernt und schwärmt noch immer davon. Wie schön für ihn!

 

Als wir am Ende unseres Spaziergangs durch Portsmouth am Steg des Blue Bay Restaurants ankommen, wo Bounty meistens ist, wenn er keine Kunden hat, ist er gerade nicht da. Wir brauchen irgendjemanden, der uns zurück zu Pagena bringt. Wir müssen nicht lange warten bis wir ein paar kanadische Segler fragen können, ob sie uns in ihrem Dingi mitnehmen. Kein Problem, ihr Schiff liegt ohnehin hinter unserem. „Ach ja Pagena, das Aluminiumboot", sie wissen gleich wo sie uns absetzen sollen. Sie erzählen auf der kurzen gemeinsamen Fahrt, dass man auf Dominica herrliche mehrtägige Wanderungen unternehmen kann, aber dafür haben wir leider keine Zeit.

 

Am Nachmittag erscheint Bounty pünktlich um uns zur Indian River Tour abzuholen. Mit an Bord hat er noch ein Pärchen aus Hamburg und eine Engländerin. Die Fahrt im Ruderboot den Indian River hinauf ist eindrucksvoll. Schon Kolumbus befuhr ihn und die Bootsfahrt durch den grau-grünen Zauberwald verschlungener Mangroven folgt noch heute der Route, welche die europäischen Kapitäne einschlugen, um den Karibenhäuptlingen ihre Reverenz zu erweisen. Bounty kennt sich gut in der Botanik entlang des Flusses aus und zeigt uns zahlreiche Pflanzen mit englischem und lateinischem Namen. Leider kann ich mir die alle auf die Schnelle nicht merken. Auch die Schauplätze wo einst die Filmkulissen standen, bekommen wir gezeigt. Heute sind sie vollständig verschwunden, anders als in der Wallillabou Bay auf St. Vincent, wo die Kulissen von Teil 1 des Filmes noch heute vor sich hingammeln und die einstmals schöne Bucht Joachims Empfinden nach völlig verschandelt haben.

 

Am Ende der Tour erreichen wir eine kleine urige Bar mitten im Wald, von wo aus wir noch ein paar Meter zu Fuß bis zu einem Baumriesen weiter gehen sollen. Wir erkennen den Baum sofort an seinen immensen Brettwurzeln und lassen Janet lustige Fotos von uns zwischen den Wurzeln machen. Zurück in der Bar bestellen wir höflichkeitshalber den Punsch des Tages. Ich wähle Passionsfrucht, Joachim Erdnuss mit Passionsfrucht, eine interessante Aromenkombination, in der die Nüsse die Frucht allerdings fast vollständig verdrängen. Auf dem Rückweg stellen wir fest, dass die anderen Gäste der heutigen Tour morgen auch alle mit auf der Inseltour sein werden. Das ist ja nett, jetzt kennt man sich ja schon ein wenig.

 

Um neun Uhr früh geht es wieder gemeinsam los, heute ist auch Janets Freundin Gale mit dabei. Im japanischen Minibus gibt's genügend Platz für uns sechs. Wir werden von Bountys Bruder „Uncle Sam" durch den Nordteil der Insel gefahren. Auch er kennt sich gut in der Botanik aus und zeigt uns zahlreiche Pflanzen. Immer wieder hält er am Wegrand an, schneidet ein paar Stengel Zitronengras, ein paar Lorbeerblätter oder die Rinde von einem Zimtstrauch ab und lässt und daran schnuppern. Besonders stolz zeigt er uns zwei landwirtschaftliche Ausbildungszentren, die einen großen Stellenwert im Ansehen der Insel zu besitzen scheinen. Erster Halt ist bei der Ruine einer alten Zuckerrohrfabrik, die nächsten beiden an zwei Stränden an der Ostküste der Insel. Stets sollen wir ein paar Meter laufen, aber so richtig macht das keinen Sinn, weit können wir uns ja nicht vom Auto entfernen. Wir fahren durch das Kariben-Reservat, das in keiner Weise als solches zu erkennen ist und machen quasi obligatorisch Halt an den Straßenbuden, wo Kariben-Frauen ihre typischen dreifarbigen Korbflechtwaren anbieten. Ich finde ich kann einen Fächer gut gebrauchen, denn im Laufe des Frühjahrs kommen wir in die Kalmen, wo die Sonne ohne einen Lufthauch unbarmherzig auf uns niederbrennen wird. Im Gegensatz zu einem Brotkorb, der uns auch gut gefallen würde, lässt sich ein flacher Fächer auch noch gut auf dem Schiff unterbringen. Für die Kinder daheim erstehe ich lustige „finger traps".

 

Mittags essen wir in einem landestypischen Lokal wo es allerhand lokales Gemüse als Beilage zu Fisch oder Hühnchen gibt. Auch die hausgemachten Limonaden sind köstlich. Ich frage Uncle Sam, ob er findet, dass die Kariben ihm gegenüber Vorteile hätten, da sie das Land auf dem sie leben, nicht kaufen müssen. Diese Vermutung verneint er aber vehement. Nein, sie seien alle gleich findet er. Die Kariben mussten das Land im Reservat zwar nicht bezahlen, aber sie können es auch nicht verkaufen. Das sei schon in Ordnung. Er sagt auch, dass es keine Bedenken seitens der Kariben gibt, sich mit Nicht-Kariben zu vermählen. Interessant – dann fragt man sich wie lange es die Kariben als ursprünglichen Stamm überhaupt noch geben wird.

 

Nach der ausgedehnten Pause fährt uns Uncle Sam zum Emerald Pool, einem Naturbecken im Herzen des Regenwaldes mit einem 12 Meter hohen Wasserfall, unter dem man Baden kann. Der Himmel ist heute häufig von Wolken bedeckt und es ist nicht besonders warm, so dass ich erst mal nicht sicher bin, ob ich dort wirklich Baden mag. Janet und Gale sind jedoch ruck zuck im Wasser und geben keine Ruhe bis ich auch drin bin. Letztlich ist es gar nicht kalt und herrlich erfrischend. Joachim kommt auch nach und klettert dann mit der Kamera in der Hand hinter den Wasserfall und macht von dort aus Aufnahmen aus interessanter Perspektive.

 

Alles in allem ein schöner Ausflug, den wir aber so nicht wiederholen würden. Auf Guadeloupe haben wir an einem Tag mehr von der Insel gesehen und diese intensiver erlebt als Dominica. Ist halt doch ein Unterschied, ob man selbst entscheiden kann was man macht oder nicht. Am Abend laden uns die beiden Hamburger auf ihr Schiff zu einem Sundowner ein, für den wir die von Uncle Sam geschenkte Kokosnuss gemeinsam köpfen. Lecker! Damit ist unser kurzer Besuch auf Dominica schon fast zu Ende, morgen Segeln wir weiter von der östlichen in die südliche Karibik, zu den vor der Küste von Venezuela gelegenen Niederländischen Antillen, auch ABC-Inseln genannt. Für einen Besuch der Hauptstadt Rouseau und des Boiling Lake, dem zweitgrößten kochenden Kratersee der Welt im Süden von Dominica war die Zeit leider zu knapp bemessen. Man kann halt nicht alles haben, wir sind trotzdem zufrieden mit allem was wir schon erlebt haben.

 

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